Verhandlungsergebnis zur Volksinitiative „Hamburgs Grün erhalten“ im Grundsatz positiv

Die Volksinitiative „Hamburgs Grün erhalten“ hat sich mit den Regierungsfraktionen der Hamburgischen Bürgerschaft verständigt und verzichtet – vorbehaltlich eines Bürgerschaftsbeschlusses – auf die Durchführung eines Volksentscheids.

Einigung muss in neuen Flächennutzungsplan münden

Das heute vorgestellte Verhandlungsergebnis zwischen dem NABU Hamburg und der Hamburger Bürgerschaft findet die Unterstützung des BUND Hamburg. Die Einigung, die noch vom Parlament angenommen werden muss, sichert vor allem den derzeitigen Anteil von Landschaftsschutzgebieten (LSG) und des Biotopverbunds an der Landesfläche. Außerdem soll es eine Qualitätsaufwertung des Hamburger Grüns und mehr Ressourcen für den Naturschutz geben. Ein Manko aus Sicht des BUND bleibt allerdings, dass das gesamte Hafengebiet nicht einbezogen wurde.

„Das Ergebnis kann sich sehen lassen und bringt den Natur- und Flächenschutz in Hamburg voran. Senat und Bürgerschaft haben offenbar erkannt, dass Wohnungsbau nicht alles ist und Grün- und Freiflächen für die Stadtentwicklung wichtig sind“, kommentiert Manfred Braasch, Landesgeschäftsführer des BUND Hamburg, das Verhandlungsergebnis.

Für den Naturschutz in Hamburg erreicht der NABU zwei entscheidende Erfolge: Den dauerhaften Schutz von wertvollen Flächen und die Verbesserung der Naturqualität.

Alexander Porschke, Vorsitzender des NABU Hamburg, ist zuversichtlich, dass mit der jetzt vorliegenden Einigung die Zukunft für Hamburgs Natur gesichert ist: „Wir haben lange und intensiv verhandelt und das hat sich auch gelohnt. Bundesweit schlägt Hamburg als erste Großstadt einen richtungsweisenden Weg ein, mit dem eine Verbindung zwischen Grünerhalt und Siedlungsentwicklung tatsächlich möglich ist. Die Stadtnatur wird ökologisch aufgewertet, Artenvielfalt und Lebensqualität bleiben erhalten. Gleichzeitig haben wir uns auf eine Flexibilität beim Flächenschutz geeinigt. So bleibt Raum für die Stadt sich zu entwickeln – mit Augenmaß.“

Konkret erhält der Hamburger Senat durch die Bürgerschaft die Zielvorgabe, dass die Gesamtfläche aller Naturschutz- und Landschaftsschutzgebiete (NSGs und LSGs) erhalten bleibt. Darüber hinaus darf auch der Anteil aller Flächen aus dem Bioptopverbund nicht mehr sinken. Der NABU hat besonders für diese Festschreibung gestritten, da diese Flächen eine bedeutende Funktion für das Ökosystem haben. Damit sind gut 30 % der Fläche Hamburgs in Zukunft geschützt. Teil der Einigung ist auch, dass Grün- und Erholungsanlagen zukünftig vor Bebauung grundsätzlich geschützt sind und zusätzlich neue, öffentlich zugängliche Flächen geschaffen werden.

Ein großer Gewinn für Hamburgs Natur ist zudem, dass die Naturqualität in Hamburg verbessert werden soll. Geeinigt wurde sich darauf, dass der Naturwert langfristig in NSGs steigen muss, während er gleichzeitig im restlichen Stadtgebiet nicht sinken darf. In der Praxis kann dies durch verschiedene Instrumente erreicht werden: Aufwertungen in Naturschutzgebieten, das Anlegen von Blühwiesen in Parks, Renaturierung von Stadtbächen, die Pflege von naturnahen Wäldern sind Beispiele dafür. Positive Effekte können auch durch extensivierte Bewirtschaftung von landwirtschaftlichen Flächen erzielt werden.

Balance zwischen Siedlungsentwicklung und Naturschutz

Der Kerngedanke der Einigung ist, dass eine langfristige Siedlungsentwicklung auch ökologisch vertretbar sein muss. Während jegliche Eingriffe in Naturschutzgebiete tabu sind, gilt für alle Flächen in Landschaftsschutzgebieten oder dem Biotopverbund ein neuer Tauschmechanismus. Wird eine dieser Flächen für den Wohnungsbau, Verkehrsinfrastruktur oder sonstige Bauprojekte in Anspruch genommen, muss diese verbindlich an anderer Stelle innerhalb der Hamburger Landesgrenzen kompensiert werden. Bislang galt lediglich die gesetzliche Ausgleichregelung nach dem Bundesnaturschutzgesetz. Nun muss Hamburg on Top eine gleichgroße Ersatzfläche ausweisen. Fazit: Hamburgs Grünanteil bleibt erhalten.

Aber auch grüne Flächen ohne besonderen rechtlichen Schutzstatus stehen in Zukunft stärker im Blickfeld. Grünverluste in der Stadt wirken sich messbar negativ auf den Naturwert aus. Um die Naturqualität im gesamten Stadtgebiet zu erhalten, sind daher zwangsweise Verbesserungen des Naturzustands an anderer Stelle erforderlich. Mit dieser Regelung ist Hamburg das erste Bundesland und die erste Großstadt, die sich für einen flächendeckend messbaren Erhalt des Naturwertes ausspricht und sich zu konkreten und messbaren Zielwerten verpflichtet.

Naturschutz wird messbar und verbindlicher

Neu zum Einsatz kommt eine satellitengestützte Datenerhebung zu versiegelten Flächen. Mit dieser Methode lässt sich detailliert der reale Versiegelungsgrad ermitteln.
Die Messung der Naturqualität erfolgt über die flächendeckende Biotopkartierung, ab jetzt alle fünf anstatt bisher alle acht Jahre. Zusätzlich wird es einen jährlichen Statusbericht an die Bürgerschaft geben, mit Updates über alle 20 Punkte der Vereinbarung. Damit der Grünschutz verbindlich von unterschiedlichen Akteuren in der Stadt umgesetzt wird, soll der Senat in einem nächsten Schritt einen „Vertrag für Hamburgs Stadtgrün“ mit den Bezirksverwaltungen und allen relevanten „städtischen Institutionen“ schließen, die direkten Zugriff auf Flächen haben.

Budget für Hamburgs Natur wird erhöht

Insgesamt stellt die Stadt Hamburg für Naturschutzmaßnahmen ab 2021 jährlich zusätzlich 5,8 Millionen Euro zur Verfügung. Für die kommenden zwei Jahre sind insgesamt bereits bis zu 5,6 Millionen Euro mehr für Hamburgs Grün eingeplant. Zukünftig wird es auch zehn Vollzeitstellen als Ranger (Naturwarte) geben, die sich intensiv um den Schutz der Naturschutzgebiete und des Biotopverbunds kümmern.
Außerdem werden die Haushaltsmittel für die dauerhafte Unterhaltung und Hebung von Potenzialen zur Verbesserung des Naturinventars in öffentlichen Grünflächen bereitgestellt.

In der Konsequenz der heutigen Einigung fordert der BUND Hamburg, dass ein neuer, verbindlicher Flächennutzungsplan aufgestellt wird, der das nun Erreichte planrechtlich abbildet. Außerdem muss dabei auch über diejenigen Freiflächen planrechtlich entschieden werden, die über keinen Schutzstatus verfügen. Derzeit arbeitet die Hamburger Verwaltung mit einem Flächennutzungsplan aus dem Jahr 1997, der hoffnungslos veraltet ist.

Planungen zu Rahlstedt 131 und Vollhöfener Weiden müssen gestoppt werden

Außerdem fordert der BUND, umgehend die Planverfahren für das Gewerbegebiet Merkurpark (Bebauungsplan Rahlstedt 131) und für die Vollhöfener Weiden (Logistikflächen im Hafengebiet) einzustellen. Beide Gebiete gehören zum Landschaftsschutz bzw. zum 2. Grünen Ring.

„Der Senat kann sofort tätig werden und diese am Bedarf vorbei geplanten Vorhaben stoppen. Dann hätten wir sehr schnell einen realen Beitrag für den Grünerhalt in Hamburg“, so Manfred Braasch.

 

Senat begrüßt Einigung mit Volksinitiative

 Bürgermeister Peter Tschentscher: „Der Senat begrüßt die Einigung mit den Initiatoren. Sie macht deutlich, dass der Wohnungsbau und eine starke Wirtschaft mit dem Erhalt von Umwelt und Natur vereinbar sind. Die Behörden haben die Verhandlungen im Hintergrund begleitet und die erforderlichen Daten für die Verständigung zur Verfügung gestellt. Hamburg kann damit auch in Zukunft das Senatsziel von 10.000 Wohnungsbaugenehmigungen pro Jahr erreichen und ausreichend Gewerbeflächen ausweisen. Zugleich schaffen wir neue Grün- und Erholungsflächen und erhöhen die Naturqualität in der Stadt. Hamburg ist damit auch in Zukunft eine grüne und wirtschaftsstarke Metropole, in der das Wohnen bezahlbar bleibt.“

Jens Kerstan, Umweltsenator: „Wir sorgen dafür, dass Hamburg trotz des Baubooms eine grüne Stadt bleibt. Wir werden noch weitere Naturschutzgebiete ausweisen und wir stellen sicher, dass Eingriffe in die Natur hochwertig und vollständig ausgeglichen werden. Wir geben eine Qualitätsgarantie ab, dass trotz Bautätigkeit die ökologische Wertigkeit der Natur in Hamburg weiter verbessert wird. Dafür wird die Stellung des Sondervermögens ,Naturschutz und Landschaftspflege‘ bei der BUE entscheidend gestärkt. Es wird einen Vertrag für das Hamburger Grün geben. Die Umweltbehörde wird für die Umsetzung fast aller Maßnahmen dieser wegweisenden Vereinbarung verantwortlich sein. Dabei kommt dem künftigen Grünkoordinator eine ganz zentrale Rolle zu.“

Michael Westhagemann, Wirtschaftssenator: „Hamburg ist eine Metropole der Zukunft und des Wandels, nicht des Stillstandes. Wir wollen wachsen und dieses Wachstum gestalten. Uns sind neue Bürger willkommen, neue Fachkräfte, neue Unternehmen. Für dieses Ziel werden wir die richtigen Rahmenbedingungen bereithalten.“

Senatorin Dr. Dorothee Stapelfeldt: „Ich begrüße, dass es eine Einigung mit dem NABU gibt. Die Einigung zeigt, dass wir mit unserer Priorität der qualitätsvollen Innenentwicklung unsere ambitionierten Wohnungsbauziele erreichen und Hamburgs Qualitäten als grüne und lebenswerte Metropole am Wasser erhalten und ausbauen können.“

Finanz- und Bezirkssenator Dr. Andreas Dressel: „Die Verständigung ist eine gute Nachricht auch für Hamburgs Bezirke – denn sie haben in aller Regel die Planungshoheit. Die Verständigung wird den Bezirksämtern und Bezirksversammlungen zum Beispiel bei Bebauungsplänen helfen, im Spannungsfeld zwischen Wohnungsbau und Grünerhalt den bestmöglichen Interessenausgleich vor Ort zu erreichen. Die Herausforderung für unser Immobilienmanagement, die Flächenpotentiale für unsere Stadt zu wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen zu heben, war vor der Einigung schon groß – sie ist nicht kleiner geworden. Finanziell ist die Einigung trotz engen Finanzrahmens machbar. Nun wird es auf eine gute Umsetzung ankommen, dazu will die Finanzbehörde mit ihren Dienststellen und Zuständigkeiten gerne beitragen.“

 

Hintergrund

Die erzielten Verhandlungsergebnisse konnten erreicht werden, nachdem der NABU Hamburg im Dezember 2017 die Volksinitiative „Hamburgs Grün erhalten“ eingereicht und nachfolgend mehr als 23.000 Unterschriften gesammelt hat. Die Bürgerschaft hatte anschließend die Möglichkeit, entweder die Initiative zu übernehmen oder in Verhandlungen eine Einigung zu erarbeiten. Am 23. April haben sich nun die Verhandlungspartner aus Vertretern der Regierungsfraktionen und des NABU Hamburg auf konkrete Ziele verständigt. Die Verhandlungsergebnisse sind in Form eines Antrags an die Bürgerschaft zusammengefasst, über den am 8. Mai 2019 abgestimmt wird. Wird diesem mehrheitlich zugestimmt, gelten die Vereinbarungen als Zielvorgabe für das weitere Handeln des Senats. Gleichzeitig würde der NABU Hamburg seine Volksinitiative zurücknehmen und nicht weiter den nächsten Schritt – das Volksbegehren – verfolgen.

Alle Informationen sind auch unter www.NABU-Hamburg.de/gruen-erhalten zu finden.