Zivilgesellschaft im Wandel: Perspektiven von Prof. Stefan Aykut zur ökologischen Transformation
Im Rahmen der AktiKo.vier lieferte Prof. Stefan Aykut, Soziologe an der Universität Hamburg, eine aufschlussreiche Keynote zu den gesellschaftlichen Dynamiken der ökologischen Transformation. Aus wissenschaftlicher Sicht beleuchtete er die Wechselwirkungen zwischen Zivilgesellschaft und Politik, ging der Frage nach, wie Versuchen staatlicher Einflussnahme begegnet wird und wie sich neue soziale Kooperationen und Vernetzungen von Akteur:innen gestalten. Aykut betonte eingangs, dass der Klimawandel weit mehr als ein technischer oder ökologischer Umbruch sei. Sein Vortrag zielte darauf ab, ein tieferes Verständnis für die gesellschaftlichen Prozesse zu entwickeln, die diese Transformation prägen und in denen die Zivilgesellschaft eine entscheidende Rolle spielt.
Ein zentraler Aspekt in Aykuts Analyse war das Zusammenspiel von gesellschaftlicher Resonanz und gesellschaftlicher Trägerschaft. Er erklärte, dass Politik oft auf die gesellschaftliche Resonanz reagiert, die durch Umfragen und die öffentliche Meinung widergespiegelt wird. Gleichzeitig betonte er die Bedeutung der gesellschaftlichen Trägerschaft, also der aktiven Bemühungen von zivilgesellschaftlichen Akteuren und der Wirtschaft, den Klimawandel voranzutreiben. Dies geschieht in vielfältiger Form, beispielsweise in der Landwirtschaft, im Gesundheitswesen oder in Städten. Aykut wies auf ein Paradoxon hin: Obwohl in Deutschland ein hohes Umwelt- und Klimabewusstsein sowie eine breite Unterstützung für die Energiewende existieren, gibt es gleichzeitig einen signifikanten Teil der Bevölkerung, der der Ansicht ist, dass bereits zu viel geschehen sei oder andere Akteure gefordert wären. Zudem sei die Bereitschaft zum Klimaschutz sozial differenziert und eng mit dem Vertrauen in die Politik sowie der Wahrnehmung von Gerechtigkeit verbunden.
Aykut untersuchte auch die Dynamik verschiedener Formen gesellschaftlichen Engagements, wie Proteste und Klimaklagen. Während Klimabewegungen wichtige Impulse setzen können, zeigten sie oft eine zyklische Natur. Klimaklagen hingegen wiesen eine kumulative Zeitlichkeit auf, bei der frühere Erfolge nachfolgende Prozesse stärken und sowohl rechtliche als auch politische und mediale Wirkung entfalten können. Er hob hervor, dass das Zusammenspiel unterschiedlicher Zeitlichkeiten – von kurzfristigen Aktionen bis hin zu langfristigen rechtlichen Auseinandersetzungen – eine wichtige Rolle spielt.
Abschließend präsentierte Prof. Aykut einige strategische Komponenten für einen progressiven Wandel. Dazu gehören die Resilienz von Maßnahmen und Strategien angesichts möglicher Rückschläge sowie der Wiederaufbau von Handlungsfähigkeit in der Zivilgesellschaft. Weiterhin sei es entscheidend, unterschiedliche Zeitlichkeiten zu nutzen, den Klimawandel als soziale Frage zu thematisieren (Issue Linkage) und die Teilhabe durch die Fokussierung auf lokale Wertschöpfung und Werkstätten zu stärken. Aykut argumentierte, dass eine zu starke Fokussierung auf gesamtwirtschaftliche Kosten die lokale Unterstützung schmälern könne. Seine Ausführungen unterstrichen die komplexe und vielschichtige Rolle der Zivilgesellschaft im Ringen um eine sozialökologische Transformation und lieferten wichtige Denkanstöße für zukünftige Strategien und Kooperationen.
Gewerkschaftliche Kämpfe und zivilgesellschaftliches Engagement für eine sozialökologische Transformation in Hamburg
Im Rahmen der Aktiko.vier gaben Sandra Goldschmidt, Landesbezirksleiterin von Ver.di, und Christina Schulz vom AK Suffizienz des BUND Hamburg Einblicke in aktuelle gewerkschaftliche Auseinandersetzungen und die Unterstützung zivilgesellschaftlicher Initiativen für eine sozialökologische Transformation in Hamburg. Goldschmidt betonte eingangs die Bedeutung des Themas angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen und knüpfte an einen vorherigen Austausch an, bei dem das Stichwort „Rollback“ gefallen war. Sie verdeutlichte, dass Ver.di diesen Rollback in verschiedenen Bereichen wahrnimmt, insbesondere in den aktuellen wirtschaftlichen Kämpfen, die sich nicht nur um Lohnerhöhungen drehen, sondern auch um Themen wie Arbeitszeit und Entlastung. Diese Entlastungsfragen seien essenziell für eine gute Daseinsvorsorge, beispielsweise im Kinderschutz, und ermöglichten es den Menschen, neben ihrer Arbeit Zeit für demokratisches Engagement zu gewinnen.
Ein konkretes Beispiel für das Engagement von Ver.di im Sinne der sozialökologischen Transformation war der Widerstand gegen den Teilverkauf der Hafen Hamburg. Goldschmidt stellte klar, dass es der Gewerkschaft dabei nicht nur um Arbeitsbedingungen ging – obwohl diese für die gut organisierten Kolleginnen in der Regel durchsetzungsstark gesichert seien –, sondern vor allem um die Frage, wie der Hafen sozialökologisch transformiert werden kann, ohne dass Profitinteressen im Vordergrund stehen. Sie zog eine Parallele zur erfolgreichen Rekommunalisierung der Energienetze, die gezeigt habe, dass die öffentliche Hand die sozialökologische Transformation besser gestalten kann, da sie nicht primär auf die Interessen von profitorientierten Unternehmen Rücksicht nehmen muss. Goldschmidt wies darauf hin, dass die Zeit für zivilgesellschaftliches Engagement oft fehle, was die Mobilisierung für notwendige Veränderungen erschwere. Trotzdem habe sich Ver.di bei der letzten Wahl stärker positioniert und die Steuerpläne der Parteien im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf Einkommensverteilung und Macht analysiert. Zudem betonte sie die Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Bündnissen, um gemeinsam stärker für soziale und ökologische Ziele einzutreten.
Christina Schulz vom AK Suffizienz des BUND Hamburg berichtete aus der Perspektive eines traditionellen Naturschutzverbandes, der sich zunehmend mit sozialökologischen Fragen auseinandersetzt. Sie schilderte, dass viele Aktive im Moment das Gefühl hätten, sich in Abwehrkämpfen zu befinden, anstatt aktiv an der sozialökologischen Transformation gestalten zu können. Trotzdem gebe es auch auf EU-Ebene Errungenschaften im Naturschutz, die jedoch von rechten Parteien wieder in Frage gestellt würden. Schulz verwies auf frühere Konzepte des BUND zur sozialökologischen Transformation, die jedoch in Vergessenheit gerieten, und betonte die kontinuierlichen Bemühungen innerhalb des Verbandes, diese Themen voranzutreiben, insbesondere durch die Jugendorganisation. Auf lokaler Ebene unterstütze der BUND Hamburg Initiativen wie das Volksbegehren „Hamburg werbefrei“.
Schulz erläuterte, dass es auf den Ortsebenen des BUND unterschiedliche Schwerpunkte gibt, wobei die Unterstützung konkreter Initiativen wie Petitionen und Volksbegehren eine wichtige Rolle spielt. Sie betonte die Notwendigkeit, die Arbeit an der sozialökologischen Transformation mit anderen gesellschaftlichen Bereichen zu verknüpfen, um sie für alle nachvollziehbar zu machen und die Unterstützung sowohl innerhalb des Verbandes als auch in der Gesellschaft zu stärken. Dabei gebe es Zielkonflikte mit anderen gesellschaftlichen Gruppen und die Herausforderung, Aufmerksamkeit für diese Themen zu gewinnen. Trotzdem setze sich der BUND dafür ein, neue Wege jenseits des Wachstums- und Konsumzwangs aufzuzeigen und unterstütze Initiativen und Statements, die eine sozialökologische Transformation vorantreiben. Goldschmidt ergänzte, dass die Frage der Demokratie eine zentrale Rolle spiele, insbesondere in Bezug auf Investitionsentscheidungen und die Notwendigkeit, breitere Bevölkerungsschichten einzubinden und die Macht von Superreichen zu begrenzen. Sie betonte, dass die Frage, wie viele Mittel für beispielsweise militärische Aufrüstung bereitgestellt werden, demokratisch entschieden werden müsse und eng mit der Frage der sozialen Gerechtigkeit verbunden sei.
Möglichkeiten für gemeinsames Handeln
Ein zentraler Aspekt des „Markt der Möglichkeiten“ war die Förderung von Resilienz und gegenseitiger Unterstützung in Zeiten großer Transformation. So stellten Teilnehmende einen Workshop vor, der sich mit Resilienz in schwierigen Zeiten auseinandersetzte und die Auswirkungen der Polarisierung thematisierte. Im Rahmen dieses Workshops fand ein Austausch in kleinen Konsensgruppen statt, dessen Ergebnisse am Stand eingesehen werden konnten. Zudem wurde ein neues Projekt namens „Kaffee Ausbruch“ angekündigt, das darauf abzielt, sich gegenseitig im kollektiven Transformationsprozess zu unterstützen, soziale Beziehungen zu stärken und neue Orientierungen für politisches Engagement zu finden. Diese Initiative lädt explizit zur Teilnahme und zum Austausch ein, um gemeinsam voranzukommen.
Ein weiterer Schwerpunkt lag auf der Entwicklung von Narrativen und Kommunikationsstrategien, um Menschen für die Anliegen der sozialökologischen Transformation zu mobilisieren und die Themen des „Zukunftsentscheids“ in breitere Bevölkerungsschichten zu tragen. Ein Workshop zum Thema Mobilisierung durch Storytelling nutzte Grundemotionen, um narrative zu entwickeln und Lösungsansätze für verschiedene Probleme zu vermitteln. Ein anderer Workshop thematisierte, wie die Anliegen des „Zukunftsentscheids“ in den Lebenswelten der Menschen verankert werden können, wobei Kommunikation im Sinne eines echten Dialogs und die Verknüpfung von Klimathemen mit Demokratie und sozialer Gerechtigkeit als zentrale Punkte herausgearbeitet wurden.
Darüber hinaus wurden konkrete Modelle für die zukünftige politische Gestaltung und Bürgerbeteiligung präsentiert. Ein Workshop beschäftigte sich mit der Kombination von Bürger:innenräten und Volksreferenden und schlug vor, im Anschluss an einen erfolgreichen „Zukunftsentscheid“ in Hamburg einen Bürger:innenrat zu formieren, um die Politik aktiv auszugestalten und eine breitere Legitimation zu erreichen. Die Teilnehmenden dieses Workshops bekundeten ihr Commitment, diese Idee in Zukunft zu fördern und an relevante Akteur:innen heranzutreten. Dies zeigt ein konkretes Vorhaben zur Vernetzung und gemeinsamen Weiterentwicklung politischer Instrumente.
Schließlich wurde die Bedeutung der Vernetzung und des Austauschs zwischen bestehenden Initiativen betont, um sich gegenseitig zu stärken und gemeinsam an den Themen der Zeit zu arbeiten. Ein Workshop mit dem Fokus auf Narrative, die gegenseitig stark machen, zielte darauf ab, die zahlreichen Initiativen in Hamburg, die aus verschiedenen Perspektiven an ähnlichen Themen arbeiten, langfristig zu vernetzen und den Austausch zu fördern. Ergänzend wurde die Notwendigkeit betont, mehr Menschen in den Prozess des „Zukunftsentscheids“ einzubinden und die vielfältigen Möglichkeiten, Ideen und Kontakte zu nutzen, um gemeinsam voranzukommen. Dies unterstreicht die Absicht des „Markt der Möglichkeiten“, als Plattform für die Initiierung und Intensivierung gemeinsamer Handlungsstrategien zu dienen.
Bericht: Karsten Weitzenegger mit KI Unterstützung.
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