Heute versammeln sich erneut Tausende Menschen in der Willy-Brandt-Straße in Hamburg, um ein klares Zeichen gegen den zunehmenden Rechtsruck zu setzen. Die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Hamburg, Tanja Chawla, weist in ihrer Rede eindringlich auf die Notwendigkeit hin, die Demokratie zu verteidigen und die Brandmauer gegen rechts fest zu verankern.
Nachfolgend veröffentlichen wir den Wortlaut ihrer Rede:
„Liebe Hamburger*innen, Antifaschist*innen, liebe Gewerkschafter*innen,
bereits gestern haben wir ein starkes Zeichen auf Hamburgs Straßen getragen. Das verstärken wir heute und das ist wichtig und gut so. Wir alle wissen, was in dieser Woche geschehen ist: Friedrich Merz hat SPD und Grüne erpresst, um seine populistischen und gesetzeswidrigen Anträge, seine abscheulichen und menschenverachtenden Vorschläge zur Asylpolitik durch den Bundestag zu peitschen. Und er hat es in Kauf genommen, nein, er hat es billigend in Kauf genommen, sich dabei von der AfD abhängig zu machen. Damit hat Friedrich Merz den Dammbruch vollzogen.
Wir, der DGB Hamburg gemeinsam mit seinen Mitgliedsgewerkschaften sagen dazu deutlich: Wer sich von der AfD abhängig macht, verlässt die demokratische Mitte dieses Landes!
Eine extreme politische Schockwelle ist in dieser Woche für die Demokratie, für den solidarischen Zusammenhalt durch dieses Land gerollt – in derselben Woche, in der wir den 80. Jahrestag zur Befreiung des KZ Auschwitz gefeiert haben.
Deswegen ist es umso wichtiger, dass bundesweit wieder Zigtausende gemeinsam auf die Straße gehen, mit der klaren Message: Die Brandmauer gegen rechts muss bleiben! Rechtsextreme dürfen niemals das Zünglein an der Waage sein. Wer dies provoziert, der biedert sich als Steigbügelhalter der AfD an! Und es war genau diese Message, die die Abstimmung gestern im Bundestag so erfolgreich gestört hat! Unser gemeinsamer Erfolg!
Ja, wir alle wissen, es ist Wahlkampf. Aber Wahlkampf in einer starken Demokratie muss doch auf Inhalten aufbauen und nicht auf populistischen Gefechten, die vielleicht ein Prozent mehr bringen, aber ansonsten nur Spaltung in diesem Land befördern.
Liebe Hamburger*innen, Deutschland ist ein Einwanderungsland! In Hamburg hat mittlerweile jedes 2. Kind eine Migrationsgeschichte, genauso wie viele unserer Gewerkschaftskolleg*innen, wie viele von Euch, die ich hier sehe, genauso wie ich.
Die aktuelle Stimmung in diesem Land ist verstörend. Wenn sich ein 12-jähriges afghanisches Mädchen in Aschaffenburg für die Tat eines psychisch Kranken schuldig fühlt und sich für ihre afghanische Herkunft entschuldigt, dann ist das bei allem Mitgefühl für die Hinterbliebenen auch ein Resultat der rassistisch angeheizten Stimmung in diesem Land.
Wir Gewerkschafter*innen stehen für: Gute Löhne, einen starken Sozialstaat mit einer solidarischen Haltung, Grundversorgung und sozialer Gerechtigkeit. Warum handelt der Wahlkampf nicht davon? Warum diskutieren wir nicht, wie die Wirtschaft klimafreundlich umgebaut wird, um Beschäftigung zu sichern und unseren Kindern und Enkelinnen eine lebenswerte Welt zu erhalten? Warum sprechen wir nicht über die geplanten Einsparungen von Deutschkursen und den Konsequenzen für Integration und Fachkräftebedarf? Warum sprechen wir in Hamburg nicht über die wachsende Armut, über die Wohnungsknappheit, über Rentner*innen, die Flaschen sammeln gehen und über die Gründe für überfüllte Tafeln oder warum Privatversicherte immer schneller einen Arzttermin bekommen als wir gesetzlichen? Warum sprechen wir nicht über die Zunahme von psychischen Erkrankungen? Warum sprechen wir nicht über Kolleg*innen, die ähnlich wie bei Hagenbeck fertig gemacht werden, weil sie einen Tarifvertrag und damit demokratisch verhandelte Arbeitsbedingungen wollen? Das sind doch die drängenden gesellschaftlichen Themen! Ja, die Integration von geflüchteten Nachbar*innen in unsere Gesellschaft, ja, das ist auch ein Thema, aber doch nicht das Einzige!
Herr Merz, sagen Sie uns doch mal bei allem Mitgefühl mit den Opfern und Betroffenen von Aschaffenburg, von Mannheim und Solingen, was war denn ihre Reaktion nach Mölln, nach Halle, nach Hanau oder nach der Selbstaufdeckung des NSU?
50 Prozent der Schwarzen Menschen in Deutschland berichten von Gewalterfahrungen. Wohnungslose berichten von Gewalterfahrungen, Queere und Transpersonen fühlen sich auf den Straßen nicht mehr sicher. Fast jeden Tag wird in Deutschland eine Frau oder ein Mädchen aufgrund ihres Geschlechts getötet. Die Angriffe gegen unsere Kolleg*innen im öffentlichen Dienst, bei der Feuerwehr, bei Polizei und Rettungskräften nehmen zu. Hier, liebe CDU, aber auch werte andere Parteien, hier sollte der Wahlkampf Lösungen diskutieren. Stattdessen mobilisiert die CDU mit ihren Begriffen wie „Zustrom“ und „Begrenzung“ Ängste.
Gewerkschaften stehen für Solidarität und ja, wir stehen auch für den sozialen Frieden und damit für ein offenes und diverses Hamburg für Alle!
Und weil nicht nur Bundestagswahl ist, sondern nur eine Woche danach auch Bürgerschaftswahl, gestattet mir die Wiederholung meiner Frage von gestern:
Sehr geehrter Herr CDU-Spitzenkandidat, Dennis Thering: Wenn Sie SPD und den Grünen die „Vergiftung des politischen Klimas“ vorwerfen, dann frage ich Sie ernsthaft: Glauben Sie auch der Geschichtsverdrehung von Alice Weidel? Glauben Sie dann auch noch, dass Männer klüger sind als Frauen und glauben Sie auch, dass die Erde eine Scheibe ist?
Kehren Sie endlich zurück in den seriösen politischen Raum, der gesellschaftliche Solidarität befördert und nicht spaltet.
Liebe Hamburger*innen, wir werden nicht nachgeben. Wir werden auch weiterhin mit aller Energie in den Betrieben, im Sportverein, in der Nachbarschaft, im Urlaub auf dem Campingplatz und auf der Straße uns jeder Diskussion stellen und Verbündete finden, die mit uns dem rechts-konservativen Vormarsch Einhalt gebieten.
Wir alle werden am 2. März und am 23. Februar wählen gehen und unser Kreuz bei Demokratie, sozialer Gerechtigkeit und Solidarität setzen. Hamburg steht für Offenheit, Hamburg bleibt bunt. Und wir rufen gemeinsam: Wir sind mehr!“
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