VENRO

Die Umsetzung der Agenda 2030 drängt

VENRO StellungnahmeDie Vereinten Nationen haben zur Aktionsdekade 2020–2030 aufgerufen, um die 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung (SDG) noch erreichen zu können. Wir begrüßen diese Initiative ausdrücklich, denn bislang hat die Weltgemeinschaft zu wenig in die Umsetzung der SDG investiert.

In einer Stellungnahme „Die Umsetzung der Agenda 2030 drängt“ benennt VENRO  Kernanliegen für die Aktionsdekade.

Bislang hat die Weltgemeinschaft zu wenig in die
Umsetzung der SDG investiert. Der Bericht des VNGeneralsekretärs
aus dem Jahr 2019 zeigt, dass es
seit der Verabschiedung der Ziele in 2015 in vielen
Bereichen zu wenige Fortschritte gab und in manchen
sogar Rückschritte, etwa bei der Bekämpfung
des Hungers. Die Agenda 2030 muss daher mit
Nachdruck umgesetzt werden – nun in Zeiten der
Corona‐Pandemie unter zusätzlich erschwerten Bedingungen.
Sie verschärft die Ungleichheiten innerhalb
und zwischen den Gesellschaften und gefährdet
damit die bisherigen Erfolge in der Erreichung der
SDG. Die Pandemie wird gerade auch Länder im globalen
Süden besonders hart treffen. Immer mehr
Menschen verlieren ihre Einkommensmöglichkeiten
und sind von Armut betroffen. Die Welternährungsorganisation
der Vereinten Nationen (FAO) warnt
eindringlich vor einer drastischen Verschärfung der
Ernährungskrise. Die Politik muss nun beim Krisenmanagement
langfristige Konsequenzen sowohl in
sozialer als auch ökonomischer und ökologischer
Hinsicht berücksichtigen. Die für die Erreichung der
SDG notwendigen tiefgreifenden Veränderungen von
Wirtschaft und Gesellschaft bei uns und weltweit
können Systemrisiken in Zukunft minimieren und
weitere Krisen verhindern.

Folgende Kernanliegen möchten wir in Hinsicht auf
die Debatte zur Ausrichtung der Aktionsdekade
hervorheben:

Niemand darf zurückgelassen werden

Die Aktionsdekade muss dafür genutzt werden, den
Kampf gegen Armut, Hunger und Ungleichheit zu
intensivieren. Vor allem Länder des globalen Südens,
Menschen in Krisenregionen, Geflüchtete und
Migrant_innen, aber auch vulnerable Bevölkerungsgruppen
wie Kinder, Menschen mit Behinderungen
und ältere Menschen müssen noch stärker unterstützt
werden. Dabei gilt es, vor allem die strukturellen
Ursachen für Armut, Hunger und Ungleichheit
zu bekämpfen. Ziel muss es sein, die drängenden
Fragen im globalen Norden und im globalen Süden
im Rahmen einer kohärenten Politik zu verbinden.
Zentral sind hier die Forderungen nach einem gerechteren
Welthandel, einem Ausbau der Gesundheits‐
und sozialen Sicherungssysteme, einem universellen
Zugang zu Bildung sowie einer nachhaltigen
Ausrichtung des globalen Agrar‐ und Ernährungssystems.

Gendersensible Ansätze sind notwendig

Völlige Gleichstellung der Geschlechter gibt es noch
in keinem Land der Welt. Die Spanne reicht von
Lohnunterschieden bis zu Ausbeutung, offener Diskriminierung
und Erfahrung von Gewalt. Ohne Geschlechtergerechtigkeit
kann es jedoch keine nachhaltige
Entwicklung geben. Gendersensible Ansätze
und Vorgehensweisen müssen daher im Rahmen
der Aktionsdekade verstärkt eingefordert werden.

Die Klimaziele dürfen nicht aus dem Blick geraten

Zurzeit wird das Klima aufgrund der stark eingeschränkten
Mobilität durch Corona geschont. Es
handelt sich jedoch um kurzfristige Effekte. Der
Klimaschutz bleibt eine existenzielle und drängende
Herausforderung. Die Aktionsdekade sollte deshalb
dafür genutzt werden, die Umsetzung des Pariser
Klimaabkommens mit Nachdruck voranzubringen.
Dabei spielen die wirtschaftlichen Hilfeleistungen
und Konjunkturprogramme im Zuge der Corona
Krise eine wichtige Rolle. Sie dürfen nicht zur Konsolidierung
von Geschäftsmodellen und Wirtschaftszweigen
führen, die schon vor der Krise nicht
zukunftsfähig waren. Sämtliche Maßnahmen müssen
an klimapolitischen Zielen ausgerichtet werden.
Vor allem durch gezielte Investitionen in zukunftsfähige
Infrastrukturen und Technologien können
dabei beträchtliche Synergieeffekte erzielt werden.
Multilaterale Strukturen müssen gestärkt werden
Der Multilateralismus ist in den letzten Jahren erheblich
geschwächt worden. Selbst früher Erreichtes,
zum Beispiel Abrüstungsverträge oder das Klimaübereinkommen
von Paris, wurden im Zuge dessen
infrage gestellt oder sogar aufgekündigt. Nationale
Alleingänge und Abschottung als Reaktion auf
die Corona‐Krise scheinen diesen Trend zu verstärken.
Dabei kann schon jetzt kein Staat die verheerenden
Folgen grenzübergreifender Krisen alleine
bewältigen. Die SDG‐Dekade sollte dafür genutzt
werden, die Bedeutung solidarischer Zusammenarbeit
und Kooperation deutlich zu machen, internationale
Zusammenarbeit im Rahmen des VN-Systems
und darüber hinaus zu stärken und globale
Partnerschaften auszubauen.

Zivilgesellschaftliche Organisationen müssen handlungsfähig sein

Zivilgesellschaftliche Organisationen sind einerseits
Partnerinnen bei der Umsetzung der Agenda 2030
und gleichzeitig bedeutsame Akteurinnen bei der
demokratischen und kritischen Kontrolle staatlicher
Politiken. Ihre Handlungsspielräume werden weltweit
jedoch immer weiter eingeschränkt. Kritische
Akteurinnen und Akteure werden verfolgt, bedroht,
inhaftiert oder ermordet. Rechtliche und bürokratische
Schikanen, die ein politisches Engagement
erschweren, nehmen zu. Auch die Corona‐
Pandemie wird von manchen Regierungen missbraucht,
um kritische Stimmen weiter zu unterdrücken.
Im Rahmen der Aktionsdekade muss die Rolle
der Zivilgesellschaft daher weiter gestärkt werden.
Ziel sollte es sein, weltweit eine umfassende und
transparente Partizipation von Zivilgesellschaft auf
allen politischen Ebenen zu ermöglichen.

Eine faire und nachhaltige Gestaltung der Digitalisierung

Das Potenzial der Digitalisierung für die Ziele nachhaltiger
Entwicklung ist enorm. Neue Formen der
Wissensgesellschaft und neue Arten der Kooperation
werden möglich. Die Corona‐Krise führt weltweit
zu einer verstärkten Nutzung virtueller Kommunikationsmöglichkeiten.
Die Digitalisierung birgt aber
auch Risiken. Noch fehlen in vielen Ländern die
Voraussetzungen, um mit den Veränderungen
Schritt zu halten. Somit wachsen sowohl die digitale
Kluft als auch die Abhängigkeit von wenigen digitalen
Technologiekonzernen. Kritisch sind auch der
Schutz der persönlichen Daten, die Cybersicherheit
oder der Ressourcenverbrauch. Um den Risiken der
Digitalisierung entgegenzuwirken und sie für nachhaltige
Entwicklung zu nutzen, müssen die Rahmenbedingungen
politisch stärker gestaltet werden.