Forderungen des 8. Hamburger Ratschlages für nachhaltige Entwicklung

Schwerpunkt:
Öffentliche Beschaffung,
nachhaltiger Konsum und
nachhaltige Wirtschaft

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Die Zunkunft, die wir wollen –
das Hamburg, das wir brauchen.

Der Hamburger Ratschlag zur Umsetzung der UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung von zivilgesellschaftlichen Organisationen erarbeitet Forderungen an die Hamburger Politik, um die UN -Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung lokal und global Wirklichkeit werden zu lassen. Gleichzeitig vermehren wir den Austausch und die Kenntnis über die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) bei Fach- und Führungskräften der gemeinnützigen Organisationen der Zivilgesellschaft, den Fachbehörden und den Parlamenten.

Die 2030-Agenda stellt einen Weltzukunftsvertrag dar, der allen Menschen ein Leben in Würde ermöglichen und dazu den Frieden und die Freiheit in einer intakten Umwelt fördern soll. Wir verstehen den ganzheitlichen Ansatz der 2030-Agenda als einen wichtigen Impuls für eine tief-greifende Transformation der Wirtschaft und Gesellschaft sowie die internationale Zusammenarbeit.

Forderungen an den Senat

Der 8. Hamburger Ratschlag, ein Kooperationsbündnis von 21 Hamburger Nichtregierungsorganisationen zur Umsetzung der UN-Agenda 2030, hat am 13. November 2020 beraten und stellt folgende Forderungen an den Hamburger Senat mit der Bitte, diese mit der Umsetzung der Nachhaltigkeitsagenda in Hamburg umzusetzen:

Öffentliche Beschaffung – 6 Forderungen

  1. Hamburg schafft geeignete Strukturen für eine erfolgreiche Entwicklung von Strategien zur Umsetzung der Bio-Stadt Hamburg (z. B. behördenübergreifende Arbeitskreise unter Beteiligung der Politik, Wirtschaft und der Zivilgesellschaft). Dafür bedarf es auch Personal- und Sachmittel, um die in diesem Kreis entwickelten Strategien und Aktivitäten umzusetzen.
  2. Hamburg entwickelt ein Monitoringsystem, das erhebt, wieviel ökologische und fair gehandelte Lebensmittel anteilig in den Hamburg- eigenen Kantinen und Einrichtungen zum Einsatz kommen. Das Monitoringsystem wird in Absprache, z. B. mit der BUKEA, entwickelt und schließt das vom Nachhaltigkeitsforum geforderte Indikatorensystem zur Umsetzung der Agenda 2030 ein.
  3. Hamburg verpflichtet sich, verbindliche und stufenweise zu erhöhende Anteile für biologisch und fair gehandelte Lebensmittel in der Essensverpfl egung aller öffentlichen Einrichtungen vorzugeben und kontrolliert deren Einhaltung. Ab sofort sind 10 % Bio- Lebensmittel auf Grundlage des Leitfadens für umweltfreundliche Beschaffung einzusetzen, darüber hinaus werden 30% bis Ende 2021, 50% bis Ende 2024 und mindestens 90% bis Ende 2026 gefordert. Zudem kommen in den Kantinen der öffentlichen Unternehmen mind. 2 Produkte (und davon mind. 50%) aus dem Fairen Handel (z.B. Reis, Gewürze, Kakao, Orangesaft etc.).
  4. Bei eigenen wie auch von Externen durchgeführten Veranstaltungen der Stadt Hamburg enthalten die Ausschreibungen bzw. Konzessionsverhandlungen mit den Dienstleistern die Vorgabe, dass ein verbindlicher Anteil von biologisch und fair produzierten Produkten/ Lebensmitteln benutzt wird
  5. Hamburg unterstützt durch Bildungs- und Beratungsarbeit in den Küchen und bei den Entscheidungsträgern die Umstellung auf Bio- und Fair Trade-Essen. Eine fleischreduzierte, idealerweise vegetarisch/vegane Kost muss das zukunftsfähige Leitbild für die Weiterentwickelung der Verpflegungssysteme sein. Die Beratung vermittelt, wie hochwertige und gesunde Lebensmittel produziert werden, damit idealerweise bio-regionale Wertschöpfungsketten entstehen. Es soll keine pauschale Erhöhung der Essenpreise erfolgen, sondern eine Zurückbesinnung auf saisonale Kost und die Verarbeitung von Rohware, damit der Essenspreis auf einem angemessenen Niveau verbleibt.
  6. Hamburg fördert die Akzeptanz von nachhaltigen Verpfl egungsstrukturen durch Informationen für Tischgäste in öffentlichen Einrichtungen über die Vorteile von z. B. Fair Trade und Bio Produkten, Abfallreduktion, Müllvermeidung, klimafreundlichen Gerichten.

Nachhaltiger Konsum – 5 Forderungen

  1. In allen Bereichen beachtet Hamburg das Verursacherprinzip („polluter pays principle“). Unternehmen und Konsument*innen müssen ökologische und soziale Kosten tragen. Zur Bemessung externer Kosten sollen Erfahrungen bisheriger Akteur*innen aus Politik, Wirtschaft und Forschung, auch auf EU-Ebene, berücksichtigt werden.
  2. Hamburg unterstützt aktiv die Gesetzesinitiative für ein geschlechtergerechtes Lieferkettengesetz. Politik und Wirtschaft müssen die menschenrechtlich gebotene Sorgfaltspfl icht in den Lieferketten so transparent wie möglich gestalten und einhalten. Hamburg führt damit einhergehend wirksame Kontrollmechanismen ein.
  3. Hamburg soll Handels- und Investitionsabkommen ablehnen, die Sondergerichte und Sonderrechte für Unternehmen ermöglichen und europäische Standards des Umwelt- und Verbraucherschutzes sowie demokratische Strukturen abschwächen oder aushebeln.
  4. Die Stadt Hamburg führt klare Zielvorgaben für alle Wirtschaftsbeteiligten in Hamburg ein, damit Überproduktion und Verschwendung von Lebensmitteln vermieden werden, wie z. B. eine Neuregelung des Umgangs mit (abgelaufenen) Lebensmitteln.
  5. Der Hamburger Senat informiert alle Bürger*innen über die „Big Points“ und Vergleichswerte des eigenen Ressourcenverbrauchs bzw. der CO2-Emissionen und fördert z. B. Pilotprojekte zur Transparenz über Schattenpreise.

Nachhaltige Wirtschaft – 5 Forderungen

  1. Hamburg bindet seine Wirtschaftspolitik an Kriterien der Nachhaltigkeit. Staatliche Förderung unterstützt Wirtschaftszweige und Unternehmen, die positiv auf Gemeinwohl, Umwelt und Klima wirken. Anstatt am Wachstum des BIP orientiert sich Hamburgs Politik mit Indikatoren an den Zielen der Klimaneutralität, Suffizienz, Gemeinwohlökonomie, Geschlechtergerechtigkeit, Diversität und der geschlossenen Kreislaufwirtschaft. Die „verborgenen Kosten“ müssen durch gesetzliche Regelungen durch Vollkostenrechnung in Preise internalisiert werden. Hamburg soll Fairen Handel und Beschaffung, Korruptionsprävention und Lieferkettenverantwortung auch durch politische und fachliche Initiativen im Bund ausdehnen.
  2. Hamburg nutzt die Corona-Krise als Chance für einen solidarisch ökologischen Aufschwung. Zur Resilienz gehört, dass Insolvenzen und Entlassungen verhindert werden. Zuschüsse und Subventionen müssen auch hier an Nachhaltigkeitskriterien gebunden werden. Kreativwirtschaft und Soloselbständige sind als Erfolgsfaktoren aller Wirtschaftsbereiche gezielt zu fördern. Die Hamburger Weiterbildungsstrategie muss soziale Gerechtigkeit und Aufstiegsmobilität in Zeiten des Umbruchs schaffen, um niemanden zurückzulassen. Um die zunehmende Ungleichheit zu reduzieren, muss der Staat durch Steuergerechtigkeit alle an den Kosten beteiligen, die in der Krise gewonnen haben. Social value steht über Shareholder value.
  3. Hamburg kann den Trend zu einer post-fossilen Weltwirtschaft setzen und nutzen. Die mit dem Klimaplan begonnen Maßnahmen müssen verstärkt und weiter finanziert werden, um das Pariser 1,5°-Ziel noch zu erreichen und unmittelbare Klimagefahren für die Stadt zu mildern. Hamburg nutzt den Wiederaufbau- und Zukunftsplan und den „Green Deal“ der EU, um eine zukunftssichere Kreislaufwirtschaft aufzubauen. Dabei richtet sich Hamburgs Investitionsförderung konsequent an den kommenden EU-Prüfkriterien als Rechtsgrundlage für nachhaltige Investitionen („EU-Taxonomie“) aus und nutzt die transformative Wirkung dieses Instrumentes. Hamburg leistet Beiträge für die Ausarbeitung von sozialen Prüfkriterien.
  4. Hamburg erarbeitet unter Einbeziehung neutraler Expertise einen realistischen Hafenentwicklungsplan für Klimaneutralität bis 2025. Eine verstärkte Kooperation auch bei der Entwicklung gleicher Wettbewerbs- und Umweltstandards mit den Nachbarhäfen in der Nordrange und Ostseehäfen ist dafür notwendig. Der Hafen ist wichtiger Faktor der Stadtentwicklung und Beschäftigung, weshalb Transparenz über die Umsetzung und Indikatoren, um die Wirksamkeit zeitnah zu beurteilen, notwendig sind. Zu beachten dabei sind u.a. Landstromversorgung aus erneuerbaren Quellen, transparente Veröffentlichung der Luftmessergebnisse getrennt nach Verkehrsarten.
  5. Leistungen der Daseinsfürsorge sollen in der öffentlichen Hand liegen und dürfen den Renditezielen nicht preisgegeben werden. Hamburg muss die Privatisierung der Krankenhäuser und der Altenpflege rückgängig machen. Alle Versorger müssen Sozialtarife anbieten. In der Sorgewirtschaft (Pflege, Kinderbetreuung) sind bessere Ausstattung, bessere Bezahlung und mehr Personal dringend erforderlich. Hamburg soll die Care Ökonomie fördern, auch um die Berufe attraktiver zu machen. Falls das neue „Bündnis für Gute Arbeit“ nicht die Stärkung der Tarifbindung, die Aufwertung von Berufen der Daseinsvorsorge und die Bekämpfung von prekärer Beschäftigung bewirkt, muss der Senat dazu regulierend handeln. Hamburgs ÖPNV muss für Einheimische kostenlos werden. Öffentliche digitale Plattformen müssen unabhängig von großen Konzernen sein. Bildung muss grundsätzlich kostenfrei zugänglich sein. Bezahlbarer Wohnraum für ALLE ist notwendig, um das Menschenrecht auf Wohnen in Hamburg zu sichern.

Archiv: Einladung zum 13.11.2020