Tschüss Kohle

Tschüss Kohle: Anhörung vor der Bürgerschaft, Freitag, 2.11., 19 Uhr

Die nächste wichtige Etappe für Tschüss Kohle steht an: Am Freitag, den 2. November 2018, um 19:30 Uhr, im Hamburger Rathaus, Raum 151,hat die Volksinitiative die Gelegenheit, ihr Anliegen dem Ausschuss für Umwelt und Energie der Bürgerschaft zu erläutern. Die drei Vertrauenspersonen Wiebke Hansen, Uli Eder und Ulf Skirke präsentieren zunächst, warum es für Hamburg total Sinn ergibt, den Gesetzentwurf zu übernehmen, und stehen dann den Abgeordneten Rede und Antwort.
Bitte unterstützt die Initiative bei ihrer wichtigen Aufgabe und kommt zahlreich. Seid gerne schon eine halbe Stunde vorher da, damit wieder Ruhe eingekehrt ist, wenn wir anfangen. Der Ausschuss wird schon ab 17 Uhr tagen.

Zum aktuellen Stand:

Der Senat hat sich für den 100-%-igen Rückkauf der Fernwärme entschieden und einen Antrag an die Bürgerschaft, dem Rückkauf zuzustimmen, auf den Weg gebracht. In diesem Antrag ist die Abschaltung des Kohlekraftwerks Tiefstack, das immerhin rund ein Drittel der Wärmeenergie im Fernwärmenetz liefert, auf 2030 verschoben worden. Damit sind wir nicht einverstanden.

Bisher gingen die Planungen der Umweltbehörde für das Kohle-Aus auch in Tiefstack von 2025 aus. Begründet wird die Verschiebung mit geplanten Förderbedingungen auf Bundesebene (die wohl falsche Anreize setzen, wenn ein späterer Ausstieg aus Kohle mehr gefördert wird) und letzten Forderungen Vattenfalls (die ja jetzt nicht mehr erfüllt werden müssen). Aus der Umweltbehörde hören wir aber schon, dass diese daran arbeitet, den Abschalt-Termin wieder vorzuverlegen. Der Krimi ist noch nicht zu Ende. Wedel wird abgeschaltet, Moorburg nicht ans Fernwärmenetz gebracht. Jetzt machen wir weiter für eine frühe Abschaltung des Kohlekraftwerks Tiefstack und damit das Kohlekraftwerk Moorburg spätestens 2030 Vergangenheit ist. Jede Tonne CO2, die wir jetzt sparen, macht das 1,5 Grad-Ziel leichter.

Hier geht es zur Webseite von Tschüss Kohle

 

Regierungserklärung des Ersten Bürgermeisters Dr. Peter Tschentscher vom 17. Oktober 2018

Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

meine Damen und Herren,

Volksentscheide sind in Hamburg seit über 20 Jahren ein wesentliches Element unserer demokratischen Verfassung. Die Bürgerinnen und Bürger können damit direkt über wesentliche Fragen unseres Gemeinwesens selbst entscheiden. Es bestehen klare Regeln über das Zustandekommen und die Durchführung der Referenden. Die Volksentscheide sind nach Artikel 50 unserer Verfassung für Senat und Bürgerschaft verbindlich, und das ist gut so. Der Senat fühlt sich auch politisch verpflichtet, Volksentscheide im Sinne ihrer Zielsetzung bestmöglich umzusetzen.

Mit dem Volksentscheid vom September 2013 haben die Hamburgerinnen und Hamburger entschieden, dass die Energienetze für Strom, Gas und Fernwärme in das Eigentum und die Verantwortung der Stadt übergehen sollen. Ein klarer Auftrag, den wir seitdem konsequent im Sinne der Energiewende umsetzen. Unser Ziel ist eine moderne, sichere und klimafreundliche Energieversorgung für alle Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt.

Die Übernahme der Energienetze in die öffentliche Hand entspricht der Überzeugung einer großen Mehrheit der Menschen in Deutschland, dass die Grundfunktionen der Daseinsvorsorge wie die Versorgung mit Wasser und Energie, die Entsorgung von Müll und Abwasser oder die Grundlagen der medizinischen Versorgung und des öffentlichen Nahverkehrs in einer besonderen Verantwortung der Politik stehen. Sie sollen modern, sicher und effizient bereitgestellt werden, aber am Gemeinwohl orientiert sein.

Zur Umsetzung des Volksentscheids hat der Senat 2014 in einem ersten Schritt das Stromnetz zu 100 Prozent erworben, das seitdem von einem städtischen Unternehmen mit rund 1.200 Beschäftigten betrieben wird. Schritt für Schritt wurde der Sanierungsstau im Stromnetz abgebaut und das Netz modernisiert, um die Stromversorgung leistungsfähiger und sicherer zu machen. Das ist auch der Grund für die jetzt einmalige nachträgliche Erhöhung der Durchleitungsgebühren, die gesetzlich vorgegeben ist und sich in diesem Jahr vor allem im Norden Deutschlands auswirkt. In Schleswig-Holstein mit einem privaten Netzbetreiber übrigens höher als in Hamburg.

Stromnetz Hamburg beteiligt sich aktiv an der Umsetzung der Energiewende. Das Unternehmen fördert den Einsatz von Windstrom, die E-Mobilität und die Kopplung der Sektoren Strom und Wärme. Gemeinsam mit der Landesregierung in Kiel haben wir im Mai dieses Jahres beschlossen, die Stromnetze beider Länder auszubauen, um die Gesamtregion bis 2035 zu 100 Prozent mit regenerativem Strom zu versorgen.

Der Betrieb des Stromnetzes läuft zuverlässig und effizient. Alle Hamburgerinnen und Hamburger können geräuschlos zwischen hunderten Stromanbietern wählen, um günstigen und umweltfreundlichen Strom zu beziehen. Stromnetz Hamburg ist ein zuverlässiger Arbeitgeber und Vertragspartner für private Unternehmen der Energiebranche. Es ist ein modernes Unternehmen, das sich im Vergleich mit Netzbetreibern anderer Städte gut aufgestellt hat und einen positiven Beitrag zum Konzernergebnis der Stadt Hamburg leistet.

Den zweiten Schritt zur Umsetzung des Volksentscheids hat der Senat Anfang dieses Jahres vollzogen. Auch das Gasnetz befindet sich wieder vollständig im städtischen Eigentum. Die Gasnetz Hamburg GmbH beschäftigt 480 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und versorgt über 200.000 Haushalte und Unternehmen mit Erdgas.

Das Unternehmen wird künftig wie Stromnetz Hamburg die Strategie verfolgen, das Energienetz sicher und effizient zu betreiben und das Netz zukunftsfähig auszubauen. Auch Gasnetz Hamburg wird sich in den kommenden Jahren aktiv an der Umsetzung der Energiewende beteiligen und zum Beispiel die Nutzung regenerativer Gase aus biologischen Quellen fördern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

gestern hat der Senat beschlossen, zum 1. Januar 2019 auch die Fernwärmegesellschaft Hamburgs wieder vollständig zurückzukaufen – das ist der dritte Schritt.

Wir setzen damit um, was wir versprochen haben: die Energienetze kommen wieder vollständig in die Hand der Stadt.

Wir haben dazu in den vergangenen Monaten unterschiedliche Wege in rechtlicher, technischer und wirtschaftlicher Hinsicht geprüft und konstruktive Gespräche mit dem bisherigen Mehrheitseigentümer, der Vattenfall GmbH, geführt.

Dabei ging es für den Senat im Hinblick auf die Umsetzung des Volksentscheides nicht um das „Ob“, sondern um das „Wie“.

Am Ende hat sich die vollständige Übernahme der Fernwärmegesellschaft als die beste Lösung erwiesen. Das ist der richtige Weg, denn nur so können wir zusammen mit den anderen städtischen Unternehmen für eine kostengünstige und klimaschonende Energieversorgung für alle Hamburgerinnen und Hamburger sorgen.

Um zu diesem Ergebnis zu kommen, haben wir in den Verhandlungen drei Ziele verfolgt:

Erstens: Investitionen in das Fernwärmesystem müssen langfristig sinnvoll und nachhaltig sein. Deshalb haben wir mit den Technikern Vattenfalls, den Fachleuten der Stadt und externen Beratern ein Konzept zur künftigen Wärmeerzeugung entworfen, das auf eine Anbindung des Kraftwerkes Moorburg verzichtet. Kohle ist der am wenigsten umweltverträgliche fossile Energieträger und hat eine schlechte CO2-Bilanz.

Das Königreich Schweden, also der Eigentümer Vattenfalls, hat bereits den vollständigen Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energien beschlossen, und auch in Deutschland sehe ich keine langfristige Perspektive für diese Brennstoffart, sondern einen zunehmenden Druck, die Folgekosten der CO2-Emissionen den Verursachern in Rechnung zu stellen. Wer in Zukunft stabile Preise will, darf also nicht auf Kohle setzen.

Es ist aus ökologischen und ökonomischen Gründen erforderlich, in ein nachhaltiges Fernwärme-konzept zu investieren. Unser Konzept ist modular aufgebaut und stützt sich im Wesentlichen auf Abwärme aus Müllverbrennungs- und Industrieanlagen und auf eine moderne Gas-Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlage.

Wir können damit die Altanlagen in Wedel und Tiefstack ablösen, werden unabhängig von der Kohle, verringern die ökonomischen Risiken aus einer künftigen Erhöhung der CO2-Kosten und verbessern die CO2-Bilanz unserer Stadt in erheblichem Umfang.

Zweitens haben wir darauf geachtet, dass die wirtschaftlichen Folgen des neuen Fernwärmekonzepts zu keiner Preissteigerung für die Mieterinnen und Mieter führt, die über die sonstige Marktentwicklung hinausgeht. Das habe ich persönlich gegenüber allen Beteiligten zu einer zentralen Bedingung gemacht, und das ist die Geschäftsgrundlage für alle weiteren Planungen. Bei der Fernwärme ist dies besonders wichtig, weil es nicht nur um die Durchleitung geht, sondern auch um die Preisgestaltung und eine kostengünstige Produktion der Fernwärme, zum Beispiel durch Nutzung der ohnehin vorhandenen Abwärme aus unseren Müllverbrennungsanlagen.

Und drittens mussten wir zur Umsetzung des Volksentscheids darauf bestehen, die Fernwärmegesellschaft in einem absehbaren Zeitraum sicher ins Eigentum der öffentlichen Hand zu bekommen und ab sofort auch die unternehmerische Führung zu übernehmen.

Gerade dieser Punkt – die unternehmerische Führung – ist eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass wir das technische Konzept zeitgerecht umsetzen und vor allem die Preisgarantie für die Bürgerinnen und Bürger sicherstellen können.

Dies ist nach dem Ergebnis der Verhandlungen nur dadurch möglich, dass wir die 2014 vertraglich vereinbarte Option zum vollständigen Erwerb der Fernwärmegesellschaft ab 1. Januar 2019 ausüben.

Die Verträge mit Vattenfall enthalten als Methode der Preisfeststellung ein Standardverfahren und einen Mindestpreis von 950 Millionen Euro. Der Wert des Fernwärmenetzes wurde 2012 mit 1,3 Milliarden Euro ermittelt. Der Mindestpreis war insofern ein gutes Verhandlungsergebnis.

Das aktuelle Gutachten kommt heute zu einem noch niedrigeren Wert. Es beruht aber auf dem alten Vattenfall-Kohle-Konzept und berücksichtigt wesentliche wertbildende Faktoren aus Sicht der Stadt nicht.

Dazu gehören die Integration der Fernwärmegesellschaft in den städtischen Unternehmensverbund und die wahrscheinliche Annahme, dass die Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung über das Jahr 2018 hinaus fortgeführt wird. Beide Faktoren wirken sich jeweils um dreistellige Millionenbeträge positiv auf die Wertermittlung aus, und danach liegt der Wert des Fernwärmenetzes bei mindestens 920 Mio. Euro.

In der Drucksache und den Unterlagen, die wir der Bürgerschaft vorlegen, beschreiben wir die Wertermittlung, die wir unabhängig von Vattenfall und auf Grundlage des von uns tatsächlich beabsichtigten Geschäftsmodells vorgenommen haben.

Die Berechnungen und Annahmen wurden von der Beratungsgesellschaft LBD erstellt und durch das Unternehmen PwC geprüft. Danach rechtfertigt sich der Mindestkaufpreis, wenn man die Integration des Unternehmens in den HGV-Verbund berücksichtigt und von einer Fortführung der Förderung von Kraft-Wärme-Kopplung ausgeht, die der Bundesrat vor wenigen Wochen als Forderung an die Bundesregierung bereits beschlossen hat.

Die Ihnen ebenfalls zugeleiteten Rechtsgutachten kommen zu dem Ergebnis, dass ein Kauf zum Mindestpreis zulässig ist, sofern die Bürgerschaft zustimmt und die nach der Landeshaushaltsordnung erforderlichen Ermächtigungen erteilt.

Insgesamt bestehen damit keine rechtlichen Hindernisse, den Volksentscheid umzusetzen, und genau das sollten wir dann auch tun.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

Tag für Tag wird klarer, dass ein Interesse der Menschen in Hamburg, in Deutschland und weltweit immer drängender wird: den Klimaschutz zu verbessern und uns vor den ökologischen und ökonomischen Auswirkungen des Klimawandels zu schützen. Das ist der Hintergrund, vor dem wir die energiepolitischen Ziele unserer Stadt setzen müssen.

Ob der Klimawandel voranschreitet oder gestoppt wird, entscheidet sich nicht im Weißen Haus in Washington. Das entschlossene Handeln in den großen Metropolen der Welt ist für den praktischen Klimaschutz bedeutsamer als Erklärungen einzelner Nationalregierungen, deren Konsensfähigkeit zunehmend auf die Probe gestellt wird.

 

Ich habe nach meinem Besuch unserer Partnerstadt Chicago und einem Gespräch mit dem dortigen Bürgermeister Rahm Emanuel im Juni diesen Jahres die „Chicago Climate Charter“ unterzeichnet. Mit dieser gemeinsamen Erklärung verpflichten sich die Bürgermeister von weltweit bisher 70 großen Städten – darunter Los Angeles, Mexico-City, Paris, Tokio, Toronto und Zürich – zur aktiven Mitwirkung an der Einhaltung des Pariser Klimaschutzabkommens.

 

Die großen Metropolen dieser Welt sind nicht nur die politischen und ökonomischen Zentren ihrer Nationalstaaten, sie haben auch die Kraft und die moralische Verpflichtung, auf die entscheidenden Fragen des 21. Jahrhunderts die richtigen Antworten zu geben.

 

Hamburg ist eine solche Zukunftsmetropole. Unsere Universität ist die einzige Hochschule in Deutschland mit einem Exzellenzcluster im Klimaschutz. Wir haben weitere hervorragende wissenschaftliche Einrichtungen im Bereich der Energie- und Umweltforschung. Wir haben die ökonomische Stärke, die Unternehmen, die innovative Kraft und die wissenschaftliche Expertise, um die Energiewende praktisch umzusetzen, und daran sollten wir uns als Stadt und Betreiber der Energienetze auch beteiligen.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

der Senat bittet Sie heute um die Zustimmung zur vollständigen Umsetzung des Volksentscheides zum Rückkauf der Energienetze. Mit dem Erwerb der Fernwärmegesellschaft kann die Stadt

 

  • eine klimafreundliche Fernwärmeversorgung für über 450.000 Haushalte herstellen,
  • in Zukunft autonom über die erforderlichen Investitionen in das Fernwärmenetz entscheiden,
  • die CO2-Emissionen in erheblichem Umfang senken,
  • das Fernwärmenetz im Verbund mit anderen städtischen Unternehmen wirtschaftlich betreiben,
  • dabei die Rechte und Interessen der Beschäftigten wahren
  • und günstige Preise für die Fernwärmekunden sicherstellen.

 

Das ist ein gutes Konzept zur Umsetzung des Volksentscheides, zur Herstellung umweltfreundlicher und bezahlbarer Fernwärme für die Bürgerinnen und Bürger Hamburgs und für eine klimagerechte Energiepolitik im Interesse der kommenden Generationen.