VENRO: Bundesregierung muss Umsetzung der Agenda 2030 beschleunigen

VENRO zieht entwicklungspolitische Halbzeitbilanz der Großen Koalition

Berlin, 16. Oktober 2019 – Der Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe (VENRO) hat Halbzeitbilanz der Bundesregierung gezogen. Demnach ist Deutschland im Hinblick auf die Umsetzung der Agenda 2030 nach wie vor ein Entwicklungsland.

Ob Armutsbekämpfung, Außenhandel, Klimaschutz oder der Umgang mit Geflüchteten: In seiner Halbzeitbilanz unter https://venro.org/publikationen/detail/unsere-halbzeitbilanz-der-bundesregierung-es-bleibt-viel-zu-tun/ legt VENRO dar, dass Deutschland seiner Verantwortung bei der Bewältigung globaler Herausforderungen bislang nicht gerecht wird.

 

„Um Armut und soziale Ungleichheit in Deutschland und weltweit zu bekämpfen, muss die Bundesregierung die Agenda 2030 zum Maßstab ihres Regierungshandelns machen, – so wie es im Koalitionsvertrag steht“, erklärt Dr. Bernd Bornhorst, Vorstandsvorsitzender von VENRO. Dazu gehören der Schutz unserer natürlichen Ressourcen und die Verteidigung sozialer Standards ebenso wie die weltweite Durchsetzung von Menschenrechten.

 

VENRO kritisiert, dass bis heute eine gesetzliche Regelung fehlt, welche Unternehmen dazu verpflichtet, entlang ihrer globalen Lieferketten Menschenrechte und ökologische Mindeststandards zu achten. „Die Art und Weise, wie wir in Deutschland Handel und Wirtschaft betreiben, beeinflusst maßgeblich die Entwicklung anderer Staaten“, betont Bornhorst. Er appelliert an die Bundesregierung, noch in dieser Legislaturperiode ein Lieferkettengesetz zu beschließen, um die Arbeitsbedingungen der Menschen im globalen Süden zu verbessern.

Wie aus der Halbzeitbilanz von VENRO hervorgeht, wird die Bundesregierung auch erneut ihr Ziel verfehlen, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens in die Entwicklungszusammenarbeit und Humanitäre Hilfe zu investieren. Ebenso wenig hat sie sich an die Vereinbarung im Koalitionsvertrag gehalten, keine Exporte mehr an kriegführende Parteien im Jemen zu genehmigen. „Um Frieden zu fördern und humanitären Bedarf zu verringern, muss die Bundesregierung deutsche Rüstungsexporte drastisch reduzieren und in Krisenregionen vollständig einstellen“, fordert Bornhorst. Im ersten Halbjahr 2019 exportierte Deutschland insgesamt mehr Waffen als im gesamten Jahr 2018.

Es bleibt viel zu tun!

VENRO hat in seinem Positionspapier „Für Weltoffenheit, Solidarität und Gerechtigkeit!“ im März 2017 seine Erwartungen an die Politik der nächsten Bundesregierung formuliert. Zur Halbzeit der 19. Legislaturperiode ziehen wir nun Bilanz in Politikfeldern, die für die Entwicklungspolitik und die Humanitäre Hilfe zentral sind. Unser Fazit: Manches wurde auf den Weg gebracht, vieles kommt zu langsam voran und auch Stagnation oder Rückschritte sind zu verzeichnen. Für die zweite Halbzeit bleibt noch viel zu tun.

Klimaschutz – Nachbesserungen erforderlich

Im Koalitionsvertrag bekennen sich die Regierungsparteien zu den national, europäisch und im Rahmen des Pariser Klimaschutzabkommens weltweit vereinbarten Klimazielen 2020, 2030 und 2050. Gemäß der internationalen Vereinbarung von Paris setzt sich Deutschland dafür ein, die Erderwärmung deutlich unter zwei Grad Celsius und möglichst auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen und spätestens in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts weltweit weitgehende Treibhausgasneutralität zu erreichen.

Das Klimaschutzprogramm 2030 und das Bundesklimaschutzgesetz, welches die Bundesregierung am 9. Oktober 2019 auf den Weg brachte, werden diesen Zielen jedoch nicht gerecht: Wissenschaftlichen Schätzungen zufolge werden mit dem vereinbarten Paket nur etwa ein Drittel der bis 2030 notwendigen Einsparungen von CO2 erzielt werden können. Nachbesserungen sind deshalb unbedingt geboten: Ein rascher Kohleausstieg, die Beendigung umweltschädlicher Subventionen und eine grundlegende Wende in der Mobilitäts-und in der Landwirtschaftspolitik sind dringend erforderlich, wenn die Klimaziele noch erreicht werden sollen. Bis zum Jahr 2020 muss die von Bundeskanzlerin Angela Merkel zugesagte Verdoppelung der Klimamittel auf vier Milliarden Euro im Bundeshaushalt real abgebildet sein.

Wirtschaft und Menschenrechte – Verbindlichkeit herstellen

Im Koalitionsvertrag kündigen die Regierungsparteien gesetzliche Regelungen auf nationaler und EU-Ebene im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte an, falls das Monitoring des Nationalen Aktionsplans Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) ergibt, dass die freiwillige Selbstverpflichtung von Unterehmen die Einhaltung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht nicht gewährleistet. Nach derzeitigem Stand soll erst nach einer – methodisch umstrittenen – Umfrage unter den größten deutschen Unternehmen (mit mehr als 500 Beschäftigten) geprüft und entschieden werden, ob eine gesetzliche Regelung der unternehmerischen Sorgfaltspflicht erforderlich ist. Es ist zu befürchten, dass eine freiwillige Selbstauskunft der Unternehmen die Ergebnisse der Umfrage verzerrt und so eine gesetzliche Regelung verhindert wird.

Freiwillige Initiativen wie das Textilbündnis reichen nicht aus, um sicherzustellen, dass alle Unternehmen soziale, ökologische und menschenrechtliche Standards in ihrer Geschäftspraxis beachten und umsetzen. Deshalb fordert VENRO in einem breiten Bündnis von 64 zivilgesellschaftlichen Organisationen, das sich zur „Initiative Lieferkettengesetz“ zusammengefunden hat, die Bundesregierung dazu auf, deutsche Unternehmen gesetzlich zur Einhaltung von Menschenrechts-und Umweltstandards entlang ihrer Lieferketten zu verpflichten. Das Bündnis appelliert an Bundeskanzlerin Angela Merkel, bis zum Jahr 2020 ein Lieferkettengesetz auf den Weg zu bringen.

Globaler Migrationspakt – Umsetzung vorantreiben

Die Auseinandersetzung um den Umgang mit Flucht und Migration hat die Große Koalition zu Beginn dieser Legislaturperiode fast gesprengt. Inzwischen hat sich ein restriktiver Kurs in der Migrations-und Asylpolitik durchgesetzt. Die Bundesregierung reagiert zunehmend mit Abschottung und Verschärfung der entsprechenden Gesetzgebung. Gleichzeitig legt sie Programme zur Rückkehr-und Reintegration („Perspektive Heimat“) auf, um Geflüchtete und Migrant_innen zur Rückkehr in ihre Heimatländer zu bewegen. Die Erfahrungen zeigen aber, dass die Kosten für solche Programme sehr hoch sind und in keinem Verhältnis zur
geringen Zahl der Rückkehrerinnen und Rückkehrer steht.

Die aktuellen Entwicklungen in der Türkei und Griechenland und das fortgesetzte Sterben im Mittelmeer machen deutlich, dass die Situation keinesfalls geklärt ist, auch wenn die Zahl der in Deutschland ankommenden Geflüchteten deutlich zurückgegangen ist. Notwendig ist deshalb ein ganzheitlicher Ansatz, der folgende Komponenten umfassen muss: ein menschenwürdiger Umgang mit Geflüchteten und faire Asylverfahren, die Bekämpfung der strukturellen Ursachen von Flucht und Vertreibung durch eine Verbesserung der Lebensumstände in den Herkunftsländern sowie eine offene und flexiblere Migrationspolitik, die Menschen nicht mehr auf gefährliche Fluchtwege zwingt, sondern es ihnen ermöglicht, sich sicher und legal ein neues Leben in einem anderen Land aufzubauen.

Eine gute Grundlage für eine solche menschenwürdige Politik bietet der Globale Migrationspakt der Vereinten Nationen, der im Dezember 2018 verabschiedet wurde. Erstmals einigte sich die Staatengemeinschaft auf eine gemeinsame Vision einer sicheren, geordneten und regulären Migration und formulierte hierfür Leitprinzipien und Ziele. Die Bundesregierung hat sich aktiv für die Verabschiedung dieses Pakts eingesetzt. Auch wenn er völkerrechtlich nicht verbindlich ist, könnte seine Umsetzung die Lebenssituation von Migrantinnen
und Migranten verbessern und eine nachhaltige Entwicklung fördern. Deshalb muss er in und mit Deutschland durch einen konkreten Umsetzungsplan implementiert werden. Dieser fehlt aber und muss erst noch erarbeitet werden.

Der beste Weg, um Fluchtursachen zu bekämpfen und zu verhindern, dass immer mehr Menschen gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen, ist eine kohärente, an den Zielen der Agenda 2030 ausgerichtete Politik, die Armut bekämpft und bessere Lebensbedingungen vor Ort schafft.

Partnerschaft mit Afrika – Armutsbekämpfung in den Fokus rücken

Im Koalitionsvertrag haben die Regierungsparteien vereinbart, die Afrikapolitischen Leitlinien aus dem Jahr 2014 weiterzuentwickeln. Die Bundesregierung verabschiedete die fortgeschriebenen Leitlinien unter dem Titel: „Eine vertiefte Partnerschaft mit Afrika“ am 27. März 2019. Sie bieten aus Sicht von VENRO eine gute Grundlage für die deutsche Afrikapolitik. Zusammen mit den afrikanischen Partner_innen sollen multilaterale Regeln, Institutionen und Rahmenbedingungen zur Lösung globaler Probleme gestärkt werden. Von besonderer Bedeutung sind dabei zwei Ziele: zum einen zivilgesellschaftliche Partnerschaften zu vertiefen und zum anderen die zivilgesellschaftlichen Handlungsräume zu stärken, die in vielen Staaten immer mehr eingeschränkt werden („Shrinking Spaces“).

Ein wichtiges Instrument der Afrikapolitik sind die Reformpartnerschaften. Mit ihnen will die Bundesregierung den „Marshallplan mit Afrika“ und die G20-Initiative „Compact with Africa“ umsetzen. Ziel ist es, die Rahmenbedingungen für privatwirtschaftliches Engagement zu verbessern, um Arbeitsplätze zu schaffen. Darüber hinaus hat die Bundesregierung einen mit einer Milliarde Euro ausgestatteten Entwicklungsinvestitionsfonds zur Förderung privater Investitionen bereitgestellt.

Öffentliche Mittel der Entwicklungszusammenarbeit (Official Development Assistance, ODA) dürfen nicht als versteckte Subventionen für die deutsche Wirtschaft missbraucht werden. Sie sollen vor allem lokalen Kleinstunternehmen sowie kleinen und mittelständischen Unternehmen in Partnerländern zugutekommen, die durch ihre Investitionen langfristig Arbeitsplätze vor Ort schaffen. Es besteht allerdings die Gefahr, dass diese Partnerschaften
zu einseitig auf die Förderung von Investitionen ausgerichtet sind und dass die Armutsbekämpfung dabei vernachlässigt wird. Zudem darf sich die verstärkte Zusammenarbeit nicht nur auf die „Reformvorreiter“ unter den Entwicklungsländern konzentrieren. Die Menschen
in den ärmsten und fragilen Ländern dürfen nicht aus dem Blick geraten.

Frieden fördern – Humanitären Bedarf verringern

Im Koalitionsvertrag haben die Regierungsparteien festgelegt, die Leitlinien „Krisen verhindern,
Konflikte bewältigen, Frieden fördern“ als Referenzrahmen konsequent umzusetzen.
Hier hat die Bundesregierung mittlerweile drei ressortgemeinsame Strategien – Rechtsstaatsförderung, Reform des Sicherheitssektors und Vergangenheitsarbeit und Versöhnung erarbeitet. Die angekündigten Investitionen in Analysekapazitäten, Erfahrungslernen, Personalausbau und internationale sowie lokale Partnerschaften sind aber bisher weitgehend ausgeblieben. Das Zentrum für internationale Friedenseinsätze wurde vereinbarungsgemäß zu einer Entsendeorganisation weiterentwickelt, der strukturelle Ausbau beim Zivilen Friedensdienst oder in der Friedensforschung ist angesichts der mittelfristigen Finanzplanung in den betreffenden Ressorts nicht absehbar und bisher im Haushaltsentwurf 2020 nicht vorgesehen.

Positiv waren Initiativen Deutschlands im UN-Sicherheitsrat zur Stärkung des humanitären Völkerrechts, beispielsweise der humanitäre Handlungsaufruf, mit dem alle Regierungen weltweit zur Selbstverpflichtung konkreter Maßnahmen im Bereich der humanitären Hilfe aufgerufen wurden. Außerdem wurde die Resolution Nr. 2467 „Sexuelle Gewalt in Konflikten verhindern“ auf Initiative Deutschlands im Sicherheitsrat angenommen. Die Bilanz des deutschen Sitzes im Sicherheitsrat wird davon abhängen, ob es gelingt, im Bündnis mit weiteren Regierungen die begonnenen Initiativen nach Ende 2020 fortzuführen und Mechanismen zu deren Überprüfung zu vereinbaren.

Um Frieden zu fördern und humanitären Bedarf zu verringern, müssen deutsche Rüstungsexporte in Krisenregionen vollständig eingestellt werden. Die Vereinbarung im Koalitionsvertrag, keine Exporte mehr an kriegführende Parteien im Jemen zu genehmigen, wurde
nicht eingehalten. Im ersten Halbjahr 2019 hat Deutschland insgesamt mehr Waffen exportiert als im gesamten Jahr 2018. Lieferungen im Gesamtumfang von 1,1 Milliarden Euro gingen an die drei Länder Ägypten, Vereinigte Arabische Emirate und Algerien. Die Zusammenarbeit mit der libyschen Küstenwache dauert trotz des organisierten Menschenhandels und trotz der Folter in libyschen Haftzentren fort.

Entwicklungsfinanzierung – Internationale Vereinbarungen erfüllen

Die Regierungsparteien bekräftigen im Koalitionsvertrag die seit 1970 bestehende Vereinbarung, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) für öffentliche Entwicklungszusammenarbeit bereitzustellen: „Die Erreichung der ODA-Quote von 0,7 Prozent ist unser Ziel.“ Doch obwohl der für die ODA-Quote entscheidende BMZ-Etat in den letzten Jahren auf ein Rekordniveau anwuchs, bleibt die ODA-Quote deutlich hinter dem international vereinbarten Ziel zurück. Nachdem die Bundesregierung im Jahr 2018 mit einer Quote von 0,61
Prozent gestartet war, stieg diese im Haushalt für das Jahr 2019 geringfügig auf 0,65 Prozent.
Die mittelfristige Finanzplanung sieht jedoch für den BMZ-Etat ab 2021 drastische
Kürzungen vor, und der Etat des Auswärtigen Amts soll bereits ab 2020 schrumpfen. Aktuellen VENRO-Berechnungen zufolge entfernt sich die Bundesregierung bis zum Ende der Legislaturperiode wieder weiter vom 0,7-Prozent-Ziel, wenn sie an dieser Finanzplanung festhält. Die ODA-Quote erreicht dann im Jahr 2021 einen Tiefstand von 0,58 Prozent. Ohne die Einrechnung der Ausgaben für Geflüchtete im Inland würde die aktuelle Bundesregierung ihre Arbeit sogar mit einer ODA-Quote von lediglich 0,48 Prozent beenden. Ebenso bleibt sie weit hinter ihren Zusagen zurück, 0,15 bis 0,2 Prozent des BNE für die am wenigsten entwickelten Länder bereitzustellen und drei Prozent der gesamten ODA-Ausgaben für entwicklungspolitische Bildungsarbeit auszugeben.

Die Mittel zur Förderung von Nichtregierungsorganisationen (NRO) stagnieren seit Jahren bei elf bis zwölf Prozent des BMZ-Haushaltes. Dies ist umso bedauerlicher, als sich die Bundesregierung wiederholt – und zuletzt in ihren Afrikapolitischen Leitlinien – für die Stärkung der Zivilgesellschaft ausgesprochen hat.

Zivilgesellschaft stärken – Gemeinnützigkeitsrecht reformieren

Im Koalitionsvertrag bekräftigen die Regierungsparteien, sich „entschlossen gegen die zunehmende
und gezielte Einschränkung von Zivilgesellschaft zu wenden“. Gleichzeitig streben
sie an, in Deutschland „zivilgesellschaftliches Engagement und (…) Ehrenamt zu fördern
und zu stärken“ und das Gemeinnützigkeitsrecht zu verbessern.

Die Grenzen der Gemeinnützigkeit sind hierzulande Gegenstand kontroverser politischer Diskussion geworden. Versuchte und faktische Einschränkungen von zivilgesellschaftlichen Handlungsspielräumen nehmen zu. Das Urteil des Bundesfinanzhofs, das die Aberkennung der Gemeinnützigkeit von attac durch das Finanzamt Frankfurt bestätigt, definiert enge Grenzen der politischen Betätigung für die Anerkennung des gesetzlichen Status der Gemeinnützigkeit. VENRO fordert deshalb, die Liste der gemeinnützigen Zwecke zu erweitern. Denn viele der Ziele, für die sich NRO zum Wohle der Allgemeinheit engagieren – wie die Einhaltung der Menschenrechte oder eine gerechte Globalisierung – sind derzeit nicht als gemeinnützige Zwecke anerkannt. Auch Beiträge zur politischen Willensbildung oder eine kritische Bewertung tagespolitischer Themen dürfen den Status der Gemeinnützigkeit nicht gefährden. In diesem Sinne erwartet VENRO von der Bundesregierung, dass sie durch eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts einen sicheren Rechtsrahmen und gesicherte Handlungsspielräume für die politische Arbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen schafft.

Geschlechtergerechtigkeit – Engagement verstärken

Im Koalitionsvertrag betonen die Regierungsparteien die Gleichberechtigung der Geschlechter sowie die Förderung der Rechte von Mädchen und Frauen als Grundlagen der
Entwicklungszusammenarbeit. Diese Ziele setzt die Bundesregierung bisher nicht energisch genug um. Der Genderaktionsplan des BMZ sieht vor, Geschlechtergerechtigkeit durch Mainstreaming, Empowerment und Politikdialog zu fördern und in der Entwicklungszusammenarbeit zu verankern. Leider hat das BMZ es aber versäumt, Indikatoren für die Messung der Fortschritte festzulegen. So ist es schwer nachvollziehbar, wie wirkungsvoll das deutsche Engagement ist. Im Jahr 2015 flossen noch 46,5 Prozent der sektoral aufteilbaren bilateralen ODA in Projekte und Programme, die Geschlechtergerechtigkeit als Neben-oder Hauptziel verfolgten. 2017 lag der entsprechende Anteil bei nur noch rund 39 Prozent. Und der Bruchteil der Projekte, die primär Geschlechtergerechtigkeit zum Ziel haben, war 2017 mit 1,1 Prozent der sektoral aufteilbaren ODA sogar verschwindend gering. Das muss sich ändern, wenn die Bundesregierung tatsächlich einen maßgeblichen Beitrag zu mehr Gleichberechtigung leisten will.

Agenda 2030 – Umsetzung beschleunigen

Im Koalitionsvertrag haben die Regierungsparteien festgelegt, dass die Umsetzung der Agenda 2030 Maßstab des Regierungshandelns sein soll. Wie die vorgenannten Beispiele etwa im Bereich Klimapolitik, Wirtschaft und Menschenrechte oder Entwicklungsfinanzierung zeigen, orientiert sich die Politik der Bundesregierung aber viel zu wenig an den Zielen der Agenda 2030. Als wesentlicher Rahmen für ihre Umsetzung gilt die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie (DNS). Das Bundeskabinett verabschiedete eine aktualisierte Fassung dieser
Strategie im November 2018. Doch nach wie vor werden in der neuen Fassung die
internationalen Auswirkungen von Deutschlands politischem und wirtschaftlichem Handeln in den Zielen und Indikatoren insgesamt zu wenig abgebildet.

Auch in Bezug auf die Nachhaltigkeit fällt die Zwischenbilanz unbefriedigend aus: Von den 67 Indikatoren, mit denen die Zielerreichung gemessen wird, werden 28 Indikatoren nach dem jetzigen Stand nicht erreicht. Bei acht Indikatoren gab es sogar Rückschritte. Das betrifft die Bereiche Klimaschutz, Energieverbrauch, Mobilität, Artenvielfalt, Landwirtschaft, Landschaftsschutz, Gewässer-und Meeresschutz sowie die Nachhaltigkeit bei Konsum und Produktion. Die DNS soll bis zum Jahresende 2020 weiterentwickelt werden. Diesen Prozess muss die Bundesregierung dringend nutzen, um die Leerstellen zu füllen, Schwachpunkte zu beseitigen und ihre Politik kohärenter auf die Umsetzung der Agenda 2030 auszurichten.

VENRORedaktion: Claus Körting, Anke Kurat
Endredaktion: Janna Völker
Berlin, Oktober 2019
Herausgeber:
Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre
Hilfe deutscher Nichtregierungsorganisationen e.V.
(VENRO)
Stresemannstr. 72
10963 Berlin
Tel.: 030 2639299-10
E-Mail: sekretariat@venro.org
Internet: www.venro.org

VENRO (www.venro.org) ist der Bundesverband entwicklungspolitischer und humanitärer Nichtregierungsorganisationen (NRO). Ihm gehören rund 140 deutsche NRO an, die in der privaten oder kirchlichen Entwicklungszusammenarbeit, der Humanitären Hilfe sowie der entwicklungspolitischen Bildungs-, Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit tätig sind.